Während ich hin und her überlege, womit ich meinen ersten Post hier beginnen könnte, schaue ich auf mein Strickzeug und überlege, stattdessen vielleicht ein paar Runden zu stricken. Schließlich wartet ein Ärmel darauf, endlich fertig zu werden.
Prokrastination!
Aber nein, halt. Hier soll es immerhin zu einem Großteil ums Stricken gehen!
„Du strickst? Nicht Dein Ernst!“ starrte mich irgendwann meinen Friseurin an, als ich auf die angebotenen Klatschblätter verzichtete und stattdessen mein Strickzeug aus der Tasche holte. „Hat meine Oma früher auch.“
Irgendwie ist das eine mir sehr vertraute Reaktion. In meinem näheren Umfeld bin ich ein Unikum mit meiner ständigen Strickerei. Ich kenne hier niemanden, der regelmäßig und gewohnheitsmäßig strickt. Keiner teilt meinen Frust darüber, dass das Handarbeitsgeschäft in unserer kleinen Stadt außer Topflappengarn, grauer Sockenwolle und 500-Gramm-Riesenknäueln in 100 % Polyacryl nichts im Angebot hat.
Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass ich mittlerweile ohne Strickzeug ganz unvollständig fühle?
Meine erste Erinnerung ans Stricken ist mit Tante Meta verknüpft, die oft bei meiner Oma zu Besuch war und die in meiner Erinnerung immer gestrickt hat. Socken. Ich war mit meinen vier, fünf Jahren total fasziniert von den glänzenden Spitzen ihres metallenen Nadelspiels. Meta hatte offenbar soviel gestrickt, dass die matten Nadeln an den Spitzen ganz blank geworden waren. Später, als ich mit acht oder neun Jahren stricken lernte, war ich ziemlich enttäuscht, dass die matten Prym-Nadeln ihre Beschichtung behielten. Trotz größter Bemühungen meinerseits, ihnen den Tante-Meta-Vielstricker-Look zu verleihen. Entweder hatten damals schon sehr, sehr viele Socken Metas Nadeln verlassen oder aber es war eine Frage der Qualität. Oder eine Kombination aus beidem.
An erste fertige Strickstücke kann ich mich nicht erinnern. Vermutlich waren es Puppenschals oder Wolldecken für meine Barbie-Puppen. Als wir in der Schule, es war schon am Gymnasium, im Handarbeitsunterricht offiziell stricken lernten, war ich zumindest schon recht fit. Ich gehörte zu denen, die nach dem obligatorischen Musterlappen ein paar Socken stricken „durften“. Gibt es heute eigentlich noch Handarbeitsunterricht in der Schule? Gehört Sockenstricken noch zum Lehrplan?
Nach den Schulsocken ging es dann richtig los! Damals, in den frühen 80er Jahren, erlebte das Stricken einen kräftigen Boom und auch meine Mutter und ich waren mit dabei. Ich erinnere mich noch gut an die dunkelblauen „Dolly“-Pullover, die wir beide uns strickten. Wir nannten sie nach dem gleichnamigen Garn von Schachenmayr, einer dicken, fluffigen Acryl-Mohair-Mischung. Ich war richtig auf den Geschmack gekommen und fand in den Anleitungsteilen der einschlägigen Frauenzeitschriften immer mal wieder einen Pullover, den ich unbedingt nachstricken wollte. Ich hatte das große Glück, dass meine Mutter meine Stricklust absolut unterstützenswert fand und mir auch die Originalwolle kaufte.
Ein geringelter Mohair-Pullover ist mir noch gut in Erinnerung – die Anleitung war in der Brigitte, und wir fuhren in eine 25 km entfernte Stadt, um dort das Garn – Nuvoletta von Filatura di Crosa zu kaufen. Mohair mit Polyacryl. Der Pullover wurde toll, ich liebte ihn! Ich weiß leider nicht, was aus ihm geworden ist, aber es existieren noch immer die Reste des bunten Garns! Vor ein paar Jahren konnte ich über den Brigitte-Leserdienst sogar die alte Anleitung bekommen. Eines Tages gibt es also vielleicht einen Nachfolger.
Irgendwann ebbte der Spaß an der Strickerei ab. Ich nähte mehr. Und dann ging das Kreative für eine lange Zeit ziemlich und ganz unter. Nur gelegentlich setzte ich mich ein wenig an die Nähmaschine. Es war wohl so um 2008 herum, als ich die fantastische Näh-Bloggerwelt für mich entdeckte. Soviel tolle Inspirationen, ich war begeistert! Als 2009 unser Sohn kam, machte ich die Elternzeit zur Nähzeit und neben einer neuen Nähmaschine gönnte ich mir auch bald eine Stickmaschine. Mit größer werdendem Kind wurde es aber zusehends schwieriger, im Nähzimmer zu verschwinden.
Vermutlich durch irgendeinen Näh-Blog gelangte ich plötzlich zu irgendwelchen Online-Strickerinnen. Und stieß im weiteren Verlauf auf den Online-Shop Lanade, der damals das komplette Drops-Sortiment vertrieb. Günstige Garne in schönen Farben – vom limitierten Garn (zieht bei mir leider oft!) „Drops Loves You 2″bestellte ich erst eine Farbe, dann gleich noch mehrere hinterher. Und erst dann machte ich mich auf die Suche nach einer Anleitung. Und ich glaube, das war unbemerkt der Anfang dieser Geschichte. Im Internet entdeckte ich Ravelry. Das war in 2011, vor genau zehn Jahren.
Mittlerweile beschäftige ich mich auch beruflich mit Wolle, Garnen und Stricken. Ich arbeite als Texterin, außerdem übersetze ich Strickmuster und übernehme z.T. auch das technische Lektorat („Tech Editing“) von Strickanleitungen.
In diesem Blog möchte ich gern ein bisschen aus dem Projektbeutel plaudern. Ein bisschen Stricktechnik, ein bisschen Wolle. Vielleicht über Designerinnen und Färberinnen? Falls die globale Lage es irgendwann wieder zulässt, über Strick-Events und Garnfestivals. Designs und Inspirationen. Mal sehen, wohin die Reise führt!